04. Oktober 2022

Fortsetzung des umfassenden Reformprojektes

Die Aus- und Weiterbildung für Kader und Spezialisten/-innen der Schweizer Polizeien steht vor einem wegweisenden Umbruch: Erworbene Bildungsleistungen sollen in Zukunft angerechnet, zu jedem Abschluss ein Anschluss geboten werden. Eine umfassende Harmonisierung, Modernisierung und Modularisierung soll individuelle Bildungswege ermöglichen und Laufbahnen attraktiver gestalten.

Logische Fortführung des BGK 2020

Das nun gestartete Folgeprojekt knüpft direkt an das vor zwei Jahren abgeschlossene, heute vollumfänglich umgesetzte BGK 2020 an, in dessen Rahmen die Konferenz der kantonalen Polizeikommandantinnen und -kommandanten (KKPKS) dem SPI bereits 2016 einen dreiteiligen Auftrag erteilt hatte:

  1. Die Reorganisation der polizeilichen Grundausbildung, festgelegt auf zwei Jahre
  2. Der Aufbau eines nationalen, modularen Zertifizierungssystems für polizeiliche Sicherheitsassistentinnen und Sicherheitsassistenten
  3. Die Harmonisierung und Optimierung der Ausbildung von Führungskräften und Spezialisten/-innen

Während BGK 2020 die ersten zwei Punkte im Fokus hatte, baut sein Nachfolgeprojekt auf diesen Erfahrungen auf und widmet sich vollumfänglich dem dritten Punkt.

Harmonisierung, Modernisierung und Modularisierung

Die Zukunft der Polizeiarbeit birgt viele Herausforderungen. Während sich einige davon bereits heute klar abzeichnen und benennen lassen, lassen sich andere erst erahnen. Deshalb ist es besonders wichtig, sich zunächst mit allen möglichen Zukunftsszenarien und Entwicklungsmöglichkeiten intensiv auseinanderzusetzen. Nur so wird es möglich sein, die Aus- und Weiterbildung von Führungskräften und Spezialisten/-innen auf die Anforderungen, Bedürfnisse und Gegebenheiten der Zukunft abzustimmen. 

Auf diesem Fundament aufbauend wird das Projekt daraufhin folgende Prozesse anstossen:

  • eine Abstimmung der Führungsausbildung der verschiedenen Stufen I, II und III;
  • eine Abstimmung weiterer Themenbedürfnisse im Bereich Spezialisierung;
  • eine Harmonisierung aller Angebote über die Sprachgrenzen hinweg.

Gleichzeitig sollen in einem zweiten Umsetzungsprojekt – unter Einbezug der «lessons learned» seit 2016 – zusätzlich folgende Fragestellungen bearbeitet werden:

  • Inwiefern sind die Governance und Entscheidungsfindung in den Kommissionen noch zeitgemäss? Welche Anpassungen sind notwendig? Wie kann die Zusammenarbeit mit weiteren Bildungsinstitutionen gefördert werden?
  • Welche Bildungskooperationen mit weiteren Partnern der öffentlichen Sicherheit sind sinnvoll und in Zukunft anzustreben bzw. zu fördern?

Steigerung der Attraktivität und Wertigkeit

Welches Entwicklungspotenzial bietet sich einer Polizistin oder einem Polizisten nach erfolgter Ausbildung? Wie lässt sich die Attraktivität des Berufsbilds Polizist/-in erhalten oder sogar steigern? Welche Perspektive haben eine langjährige Kadermitarbeiterin oder ein praxiserfahrender Spezialist? Viele Korps sehen sich heute mit dem Verlust von bewährten Führungskräften konfrontiert und suchen nach Lösungen, um diesen Tendenzen etwas entgegenzusetzen. Das neue BGK soll Entwicklungsmöglichkeiten in diese Richtung aufzeigen, indem z. B. das Aus- und Weiterbildungssystem für alle Kader und Spezialisten/-innen modularisiert sowie die Möglichkeit einer Anschlussweiterbildung generell gewährleistet wird. Dadurch soll die Wertigkeit grundsätzlich erhöht werden.

Zusammengefasst geht es also um:

  • die ganzheitliche Abbildung einer durchgängigen Führungs- und/oder Spezialistenlaufbahn;
  • die Berücksichtigung der persönlichen Arbeitssituation in Bezug auf die jeweilige Tätigkeit und die eigenen Entwicklungsabsichten;
  • eine schweizweite Harmonisierung bzw. Integration der Bildungsangebote ins bewährte duale Bildungssystem;
  • die Sicherstellung einer hohen Modularität der Bildungsangebote mit garantierter und übertragbarer Anrechenbarkeit (ECTS);
  • das Gewährleisten bzw. Erhöhen der Attraktivität der Polizei als Arbeitgeberin.

Von der Polizei für die Polizei

 

Der Vorstand der KKPKS, der Stiftungsrat des SPI, die Kommission für Doktrin und Ausbildung (KDA) der KKPKS, die Arbeitstagung II-21 der KKPKS, die PolKom der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) sowie der Vorstand der KKJPD haben die Anträge und den Zeitplan einstimmig zur weiteren Bearbeitung freigegeben.
Der Direktor SPI wurde mit der Gesamtleitung des Projekts beauftragt. Die operative Projektleitung setzt sich zusammen aus zwei Vertretern der KKPKS (Philippe Allain, Kommandant der Kantonspolizei Freiburg und Christian Brenzikofer, Kommandant der Kantonspolizei Bern), sowie Stefan Aegerter, Direktor des SPI. Die koordinative Leitung stellen Marlis Jacot-Guillarmod, neue Vizedirektorin und Stabschefin des SPI, sowie Anojen Kanagasingam, Leiter der Geschäftsstelle OdA Polizei, sicher (vgl. dazu auch den Artikel «Die operative Projektleitung: Zusammensetzung und Vision»).
Die Projektleitung spiegelt ihre Arbeit ausserdem dem Projektausschuss unter dem Vorsitz von Alain Ribaux, Vertreter der KKJPD und gleichzeitig Präsident der PolKom, unterstützt von einer Vertreterin und einem Vertreter aus dem Stiftungsrat des SPI (Johanna Bundi Ryser, Präsidentin des VSPB und Kommandant Roberto Torrente, SVSP) sowie zwei Vertretern der KKPKS (Reto Cavelti, Kommandant Kantonspolizei Appenzell Ausserrhoden und Pascal Luthi, Kommandant Neuenburger Polizei). 
Eine wichtige Funktion nimmt weiter der Begleitausschuss (BAPL) wahr, bei dessen Zusammensetzung stark darauf geachtet wurde, dass dieser optimal die schweizerische Vielfalt der Polizeilandschaft widerspiegelt. Dies hatte sich bereits im BGK 2020 stark bewährt.

Ein Gesamtprojekt, zwei Strategien, fünf Teilprojekte 

Das Gesamtprojekt umfasst sieben Teilprojekte (TP) mit unterschiedlichen zeitlichen Prioritäten.

Die Teilprojekte I und II werden innerhalb der Strategie SPI 2022–2025 bearbeitet und finden hier daher keine weitere Berücksichtigung.

  • TP III: Kompetenzprofile

Die wichtigsten arbeitsmarktbezogenen Entwicklungen für das Berufsfeld «Polizei» nach abgeschlossener Grundausbildung werden erfasst und analysiert. Hierzu führt das SPI eine breit abgestützte Zukunftsumfrage durch. Dabei stellt es sicher, dass gerade die Arbeitskräfte, welche einen starken Front- und Praxisbezug aufweisen, ihre wertvollen Inputs einbringen können. Auf dieser Basis wird zunächst der Bedarf an Kadern und Spezialisten/-innen ab 2023 bis 2030 erhoben – auf sämtlichen Bildungs- und Laufbahnstufen des Berufsfeldes «Polizei». Darauf wiederum werden die Kompetenzprofile künftiger Berufsleute auf Stufe Kader und Spezialisten-/innen am zukünftigen Bedarf ausgerichtet.

  • TP IV: Neugestaltung der Führungsausbildung Polizei

Die Angebote Führungslehrgang (FLG) I, FLG II sowie weitere Führungslehrgänge verwandter sicherheitsrelevanter Institutionen werden auf ihren Ist-Zustand geprüft und daraufhin mit den Analysen des vorbereitenden Projekts (TP 0) und TP III abgeglichen, um dann die notwendigen Schlussfolgerungen hinsichtlich der Harmonisierung auf gesamtschweizerischer Ebene zu ziehen.

Für die künftige Ausgestaltung der Angebote FLG I und II wird ein Grobkonzept erstellt, welches neben den inhaltlichen und didaktischen Inhalten auch eine Reduktion der Präsenzzeit prüft. Dies geschieht mit dem Ziel, die Inhalte und Rahmenbedingungen für den FLG I und II zu aktualisieren und zukunftsorientiert auszurichten. Eine einheitliche Umsetzung der neuen Inhalte und Vorgaben durch das SPI für den FLG I und II in der ganzen Schweiz ist gewährleistet und findet eine breite Abstützung. 2024 wird ein Pilotkurs des FLG I nach neuer Ordnung durchgeführt; dessen Erkenntnisse wiederum sollen in die Umsetzung ab 2025 einfliessen. Ab 2025 werden die FLG I und II nach neuer Ordnung durchgeführt werden.

  • TP V: Revision HFP

Die Attraktivität der höheren Fachprüfung (HFP) «Polizist/Polizistin mit eidg. Diplom» soll gesteigert werden und wirksam in die zukunftsausgerichteten Laufbahnmodelle einfliessen.

Eine erste Sitzung mit dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) soll im März 2024 stattfinden; die hierzu benötigte Auslegeordnung wird dem SBFI vorab zur Verfügung gestellt. Bereits in dieser Sitzung wird die Einstufung des nationalen Qualifikationsrahmens (NQR) der HFP angekündigt (Tendenz 8). 

Im Mai 2024 soll beim SBFI mittels eines Spezialgesuchs für die Entwicklung einer Prüfungsordnung ein Antrag auf finanzielle Unterstützung gestellt werden. Die endgültige Einstufung des Qualifikationsprofils erfolgt dann voraussichtlich im Dezember 2025.

  • TP VI: Anrechenbarkeit im Hoch- und Fachhochschulbereich

SPI-Abschlüsse sollen zukünftig auch bei sach- oder themenverwandten Hoch- und Fachhochschulabschlüssen angerechnet werden können und umgekehrt. Ein Analysekonzept soll in diesem Thema Klarheit schaffen und Handlungsfelder formulieren. Auch hier werden die im TP III und IV vorab erlangten Ergebnisse in die Analyse miteinbezogen.

Auf dieser Grundlage wird ein Konzept für die Koordination und Zusammenarbeit zwischen dem SPI und den Hoch- und Fachhochschulen entwickelt, sodass die Entscheidungspersonen am SPI anschliessend entsprechende Gespräche und Verhandlungen lancieren können.

  • TP VII: Partnerschaften und Anerkennungen

Dieses Teilprojekt widmet sich dem ausserpolizeilichen und ausserhochschulischen Bereich der öffentlichen Sicherheit, ebenso wie den hier relevanten Angeboten der Erwachsenenbildung wie z. B. denen des Schweizerischen Verbands für Weiterbildung (SVEB). 

Das hier zu erstellende Analysekonzept baut auf den Ergebnissen der im vorbereitenden Projekt TP 0 sowie in den TP III und IV durchgeführten Analysen auf. Die hieraus resultierenden Erkenntnisse fliessen wiederum in ein Konzept für die gegenseitige Anerkennung ein – einschliesslich der zu institutionalisierenden möglichen Partnerschaften. Der Fokus liegt hierbei auf einem «Führungs-Portfolio» mit relevanten übergreifenden Kompetenzen im Bereich Führung gemäss TP III, welches als Instrument zur Harmonisierung im gesamten Sicherheits- und «Blaulicht»-Bereich für gegenseitige Anerkennungen und somit zur Förderung der Durchlässigkeit zum Tragen kommen soll.

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