10. August 2022

Ausbildung zur Einvernahme minderjähriger Opfer

Die Befragung von Kindern stellt Ermittlerinnen und Ermittler oft vor besondere Herausforderungen. Schätzungen zufolge hüllen sich 34 % der Kinder in Schweigen, wenn man dem «klassischen» Einvernahmeprotokoll folgt. Dieses Protokoll wurde vom NICHD nun überarbeitet, um aufschlussreichere und detailliertere Aussagen zu erhalten.

Schulung im NICHD-Protokoll

Das Protokoll des NICHD (National Institute of Child Health and Human Development) ist Gegenstand des Kurses über die Einvernahme von minderjährigen Opfern von Missbrauch und sexualisierter Gewalt, der vom Schweizerischen Polizei-Institut auf Französisch unter dem Titel «Audition des victimes mineures d’abus et de violences sexuels – cours de base (protocole NICHD)» ausgerichtet wird. Im Laufe der fünftägigen Ausbildung werden die Polizistinnen und Polizisten durch die verschiedenen Schritte des Protokolls geführt. Das Protokoll ist für die Befragung von Kindern unter 12 Jahren gedacht, kann aber auch für die Befragung von Erwachsenen mit geistiger Beeinträchtigung verwendet werden.

Hilfestellung bei der Einvernahme

Das NICHD-Protokoll soll das Kind dabei unterstützen, sich an das Erlebte zu erinnern. Die Polizistinnen und Polizisten, die die Befragung durchführen, testen dafür die Erinnerungsfähigkeit des Kindes, indem sie zuerst Fragen zu einem glücklichen Erlebnis aus der Vergangenheit stellen und erst anschliessend zur «eigentlichen» Befragung übergehen. Dieser erste Schritt ermöglicht es herauszufinden, ob das Kind in der Lage ist, einen Ort und ein Ereignis zu schildern, und ob es so möglich ist, eine Vertrauensbasis mit dem Kind herzustellen.
Allgemein ermöglicht diese Methode, mehr Informationen zu erhalten, weil Suggestivfragen vermieden werden und dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes entsprechende Formulierungen und verständliche Ausdrücke gewählt werden.

Hineinversetzen in das Kind

Nachdem alle Schritte des NICHD-Protokolls detailliert erklärt wurden, wird es in die Praxis umgesetzt. Dabei werden Ausschnitte von Einvernahmen gesichtet und Workshops durchgeführt, in denen die Teilnehmenden reihum in die Rolle des Kindes und in die der Polizistin oder des Polizisten schlüpfen. In diesem Jahr konnten die Teilnehmenden von der Expertise von Frau Prof. Mireille Cyr profitieren: Sie ist Professorin für Psychologie an der Universität Montreal und Expertin für Befragungen von Kindern, bei denen der Verdacht besteht, dass sie einen sexuellen Übergriff erlebt haben.

Der nächste Kurs findet vom 31. Oktober bis 4. November 2022 (auf Französisch) statt. Interessierte können sich auf der Nationalen Bildungsplattform Polizei (NBPP) dafür anmelden oder die Kursadministratorin Yasmina Rebetez kontaktieren.
 

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